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Alte Tracht kommt in gute Hände

Einst farbenfrohe Arbeitskleidung für Saaltöchter auf dem Zwieselberg wandert ins Freudenstädter Heimatmuseum im Stadthaus.

Für den Altkleidersack war sie ihr viel zu schade. Ein halbes Leben lang hat Anneliese Klinger aus Freudenstadt (80) eine über 100 Jahre alte Tracht – besser Arbeitskleidung – ihrer Mutter sorgsam gepflegt und aufgehoben (Bilder: Hannes Kuhnert). Jetzt wollte sie Platz schaffen, die Tracht aber wollte sie „in guten Händen wissen“, wie sie sagt. Dort ist sie jetzt angelangt. Der Heimat- und Museumsverein Freudenstadt wird sie in der Hotel-Abteilung des Heimatmuseums im Stadthaus ausstellen. „So etwas haben wir schon lange gesucht“, freut sich Geschäftsführer Hans-Jürgen Schnurr über das bunte Geschenk.

Die Tracht ist gut erhalten: Ein roter Rock aus Wollmusselin, ein schwarzes, besticktes Samtmieder, eine weiße Leinenbluse, ein gehäkelter Kragen und eine schwarze, ebenfalls bunt bestickte Schürze. Dazu ein Weidenkörbchen als Handtasche. Und, wenn‘s festlich wurde, ein leuchtend gelbes Schultertuch aus Seide. Die Tracht hat aber auch eine Geschichte. Die erzählt Anneliese Klingler.

Es war einmal vor 100 Jahren

Es muss wohl vor gut 100 Jahren, um die Zeit von 1920 bis 1930 gewesen sein, da arbeitete ihre Mutter Rösle Finkbeiner (1920 als Rosine Möhrle geboren) mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Ernestine im Gasthaus „Auerhahn“ der Familie Gebele auf dem Zwieselberg.

Der Gasthof hatte einen wohlklingenden Ruf, Gäste von Rang und Namen aus den Städten logierten dort in der Sommerfrische und in guter Schwarzwaldluft. Die beiden jungen Frauen arbeiteten als Saaltöchter und bekamen daher das farbenfrohe Schwarzwald-Outfit vom Arbeitgeber gestellt.

Die Saaltöchter seinerzeit halfen beim Bedienen und Servieren in den Restaurants und sorgten sich um das Wohl der Gäste. Die wurden mit der Pferdekutsche – die Chaise, oder schwäbisch „Schees“ – vom Bahnhof in Freudenstadt abgeholt. Zuweilen wurden damit auch die beiden Saaltöchter aus Baiersbronn mitgenommen, die ansonsten im „Auerhahn“ wohnten. Sie müssen ihre Arbeit wohl zur Zufriedenheit von Arbeitgebern und Gästen erledigt haben. Alte Schwarz-Weiß-Fotos zeigen sie mit fröhlichen Gästen und dem Hoteliersehepaar Gebele vor dem „Auerhahn“ für Erinnerungsfotos posieren.

Der Tochter vermacht

Etwa zehn Jahre arbeiten die Schwestern als Saaltöchter, die Tracht nahmen sie schließlich mit nach Hause und Rösle Finkbeiner vermachte sie vor ihrem Tod im Jahr 1974 ihrer Tochter Anneliese. Diese sorgte dafür, dass Rock und Mieder regelmäßig gelüftet wurden, gelegentlich wurden sie auch für kleine Auftritte bei Familienfesten angelegt oder an den Heimatverein für Theateraufführungen ausgeliehen.

Ingenieurin in Uromas Tracht

Jetzt schlüpfte – für das Zeitungsfoto – Eva Klisch noch einmal in die gut erhaltene Kleidung. Die 25-jährige Maschinenbau-Ingenieurin aus Freudenstadt ist die Urenkelin von Rösle Finkbeiner und sagt lachend in dem historischen Gewand: „Den Gefallen tu ich der Uroma doch gern.“

Von Hannes Kuhnert