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Aus dem Tagebuch von Julius Euting

1884, Tayma, Saudi-Arabien

Eben hatten wir gefrühstückt, da holte man uns zu Tueni er-Rumman zum Essen. Es wurden uns Datteln nebst Brotfladen vorgesetzt, dazu in zwei kleinen Schüsseln sowohl frische als heiße Butter, als Trunk saure Milch (Leben). Beim Abschied durch den Hof schreitend gewahrte ich mehrere Blasrohre aus Kirri-Holz [Feigenholz], die hier sehr gebräuchlich sein sollen. Kaum waren wir da fertig, so wurden wir von Fahad et-Talak zum Essen in sein Haus geleitet. Es gab abermals Datteln, Brot, Butter, Sauermilch. Unter den Eingeladenen befand sich auch ein geschickter Waffenschmied namens Zeidan, den ich wegen seiner Ortskenntnis und seines Eingehens auf meine Absichten mir zum Begleiter durch die Stadt erkor. Ich hatte es nicht zu bereuen. Sobald das Essen abgemacht war, begab ich mich mit ihm allein in den Westen der Stadt, wo nach seiner Angabe das alte Teima zwei Klafter tief im Boden stecken soll. Bei einem oberflächlichen Gang durch das sandige Gelände hob ich Glasscherben, Bruchstücke von Bronze dick mit Grünspan überzogen, Brocken von Zementböden und Karneole auf. Ein nach Norden laufender, mit Kalk ausgemauerter Kanal schien mir ehemals bestimmt, das Wasser in den Salzsumpf (Sebkha) abzuleiten. Weiter südlich kamen wir zum Kasr ed-Dair, einem großen viereckigen Bau mit Ecktürmen und Resten eines verschütteten Brunnens.

Von hier führte er mich an ein etwa 5 Minuten weiter nach Süden gelegenes Haus, Tlehan genannt, in welchem ich die merkwürdigste Ausbeute meiner arabischen Reise fand: Am zweiten inneren Tor des Anwesens, rechter Hand als Türpfosten, war mit dem Kopfe nach abwärts und mit der zunächst nicht sichtbaren bildlichen Schmalseite (mit den Figuren des Gottes oder Königs und des Priesters) ein Stein eingesetzt, den man in der gelehrten Welt heutigen Tages als Stele von Teima kennt. Wie ich die Buchstaben sah, konnte ich meine Aufregung nur mühsam verbergen; mit erheuchelter Seelenruhe nahm ich einen Abklatsch in Papier. Vom Besitzer des Hauses angebettelt, gab ich gern ein Geldgeschenk. Dann eilte ich, nachdem ich Zeidan auf morgen früh bestellt hatte, ermüdet, doch stark erregt, heimwärts, um [den Kollegen] Huber von der neuen Entdeckung in Kenntnis zu setzen und ihn über die Wichtigkeit der Inschrift aufzuklären, die sicher dem 6. Jahrhundert vor Christo angehört. Der Stein soll morgen herausgenommen und zu uns ins Haus verbracht werden. Abends waren wir zu Tueni eingeladen und haben dann noch den Kaffee bei Abd el-Aziz er-Rumman getrunken. Hundertmal lieber wäre ich daheim geblieben, um den Papierabdruck der Inschrift zu studieren.